Scheufele Hesse Eigler & :response
Nachhaltigkeit braucht jetzt dringend gutes »Design«
:response, eine führende Beratungsagentur für Nachhaltigkeit und Unternehmensverantwortung und SHE Kommunikation arbeiten seit mehreren Jahren partnerschaftlich zusammen, um aufsehenerregende und vor allem wirksame Kommunikation zu unternehmerischer Nachhaltigkeit zu kreieren. Wie in jeder guten Beziehung gibt es da auch mal unterschiedliche Ansichten über die beste Lösung in der Sache. Gerade diesen kreativen Prozesse der Auseinandersetzung wollen beide Agenturen aber nicht glattbügeln – überzeugt, dass daraus die besten Ideen entstehen. Arved Lüth, geschäftsführender Inhaber von :response, über diesen gemeinsamen Ansatz und seine Überzeugung, dass »nur gutes Design die Welt verändern« kann.
83 Millionen Nachhaltigkeitsexperten für Deutschland
Nachhaltigkeit ist in der Mitte der öffentlichen Debatte angekommen. Die Folge: Jeder bildet sich eine Meinung aus dem, was er – meist im Internet – aufschnappt, und jeder kann mitreden. Es gibt in Deutschland also nicht nur 83 Millionen Bundestrainer und Virologen, sondern auch ebenso viele Nachhaltigkeitsexperten. Manche wünschen sich daher jemanden, der uns das Thema mal wirklich erklärt und die Richtung vorgibt. So etwas wie eine Mischung aus Christian Drosten und Angela Merkel – nur eben nicht zum Thema Corona-Pandemie, sondern zur Frage der Nachhaltigkeit. Doch diese Person gibt es nicht. Also zieht jeder Einzelne für sich daraus den Schluss: Letztlich geht es ja bei Nachhaltigkeit auch nur darum, dass es mir gut geht. Das stimmt so aber nicht.
Ja, es geht bei Nachhaltigkeit um mein gutes Leben – aber eben nicht nur um meins. Es geht vielmehr darum, dass auf einem intakten Planeten mit ausbalancierten Ökosystemen ein gutes Leben für alle möglich ist. Um das zu erreichen, brauchen wir die besten Modelle, Gedanken, Köpfe, Ideen, Technologien und – dieser Punkt mag überraschen – gutes Design. Denn Design ist mehr als bloße Verpackung. Design kann Entscheidungen beeinflussen – als Informationsdesign. Design kann dazu führen, dass ich eine neue Perspektive auf ein Thema bekomme oder mich überhaupt erst damit befasse. Und Design kann Wertzuschreibungen verändern. Eine wirksame Politik ist so designt, dass Menschen sich in Freiheit für das Richtige entscheiden können. Es ist schon oft gesagt worden, dass Design die Welt verändern kann. Ich gehe weiter: Nur gutes Design kann die Welt verändern. Deshalb verdient Nachhaltigkeit besseres Design.
Was heißt das konkret?
Unsere Erfahrungen haben gezeigt: Das beste Design entsteht in einem Prozess, in dem sich die Beteiligten aus Konzeption, Redaktion und Gestaltung gegenseitig inspirieren. Das klingt erst mal nach einem Allgemeinplatz, ist aber nicht so selbstverständlich, wie es klingt. Um es konkret zu machen, haben wir sieben Tugenden zusammengestellt, die gutes Design für Nachhaltigkeit ausmachen. Anschließend bringen wir natürlich auch noch ein Beispiel, bei dem wir schon einige dieser Erkenntnisse umsetzen konnten. Ob es dann im Ergebnis gutes Design ist, mögen die entscheiden, die etwas von guter Gestaltung und von Nachhaltigkeit verstehen.
Sieben Tugenden für gutes Design:
1. Höre zu.
Wir brauchen kompetente Berater und Designer, die zuhören und beraten, die etwas sehen und gestalten können. Sonst entstehen Produkte, die nach Checklisten abgearbeitet wurden, die zu einfach, zu linear, zu gleichförmig sind. Unnötig zu resümieren: All das dient gutem Design und der Nachhaltigkeit nicht.
2. Setze ein Leitmotiv.
Seit Richard Wagner im 19. Jahrhundert das Leitmotiv in die westliche Musik eingeführt hat, ist es aus keinem Soundtrack mehr wegzudenken. Denken Sie an »Der Pate«, »Der Weiße Hai« oder »Spiel mir das Lied vom Tod«. Auch einem integrierten Geschäfts- oder Nachhaltigkeitsbericht hilft ein Leitmotiv sehr, denn mit ihm kann man die Inhalte auf kleinere Einheiten aufteilen und sie doch zusammenhalten. Es kann eine Botschaft verstärken. Es kann eine Wahrnehmung verändern.
3. Vermeide Klischees.
Nachhaltiges Design will zu oft noch wie nachhaltiges Design aussehen: torfbedeckte Hände, die einen Keimling halten. Die Weltkugel im Wassertropfen. Das Geld, aus dem die Bäumchen wachsen. Menschen, die ihre Hände aufeinanderlegen. Kurz: Klischees. Der ikonologische Gehalt von Nachhaltigkeitsberichten ist noch viel zu selten beleuchtet worden. Er ist meist gering.
4. Wünsche dir nicht den Abstieg – auch nicht für andere.
Es sind die exponentiellen Peak-Everything-Grafiken, an denen sich die meisten sattgesehen haben. Gern zeigen solche Grafiken auch Zonen, in die wir uns bewegen müssen. Meistens liegen wir deutlich drüber und müssen dann runter in den rechteckigen Keller des ressourcenschonenden Lebens. Die Grafik als Forderung: Wir müssen. Gemeint ist aber oft – und so kommt es auch beim Leser an: Ihr müsst – wir leben weiter unser verschwenderisches Leben in der Beletage.
5. Don‘t Sell the Steak, Sell the Sizzle.
Diese Verkäufer-Weisheit von Elmar Wheeler (1936) stimmt in gewisser Weise immer noch. Wenn uns die Kollegen von Sales das Zitat servieren, meinen sie: Wir können keine positiven Emotionen für ein kaltes Stück Fleisch mit Kilopreis wecken. Anders ist es, wenn im Kopfkino das Steak in der Pfanne zischt. Übertragen auf den Nachhaltigkeitsbericht heißt das: Wir zeigen dir nicht (nur) die Produkte und Services, mit denen wir die Welt besser machen, sondern vor allem, wie dein Leben in dieser neuen Welt aussieht.
6. Gaffe nicht am Ort der Katastrophe.
Das Thema Nachhaltigkeit lädt dazu ein, Katastrophen zu bebildern. Und weil dies in der Corporate-Welt ja nicht geht, werden die Katastrophen durch cleanes Stockmaterial weggelächelt. So werden wir bildlich dem Thema nicht gerecht, denn Stockfotos bleiben stumm, wo so viel zu erzählen wäre. Es gilt also, die alten Marketingklischees zu überwinden und neue Bildwelten auszuprobieren.
7. Entwickle eine authentische Bildsprache.
Der Begriff »authentische Bildsprache« ist beliebt bei Agenturen – und leider oft eine Leerformel. Was ist also gemeint? Die Bildsprache sollte zeigen, dass sich das Unternehmen mit dem Thema Nachhaltigkeit nicht nur äußerlich befasst. Es sollte eben keine aufgesetzte Bildsprache sein, sondern eine eigene, die zur Kultur und zum Ansatz des Unternehmens passt. Machen wir es durch einen Vergleich mit Give-aways greifbar: Billigkugelschreiber aus Plastik werden nicht mehr ausgegeben, weil es an der Ernsthaftigkeit der Nachhaltigkeitsanliegen des Unternehmens zweifeln lässt. Noch authentischer wäre es, keine Pseudoöko-Kugelschreiber aus Holz einzukaufen, sondern solche aus Rezyklat.
Ein Beispiel unserer Arbeit: »Konzern- und Nachhaltigkeitsbericht der Stadtreinigung Hamburg«
Der Case ist ein Beispiel der Zusammenarbeit von Kunde, Beratung und Gestaltung in einem iterativen Prozess, der ein Ergebnis zur Folge hatte, das sich deutlich von allen vorangegangenen Berichten des Unternehmens unterscheidet. Zunächst ist das dreigliedrige Berichtskonzept mit Jahresbericht, Magazin und Daten-und-Fakten-Teil zu nennen. Das Fotokonzept ist ein Beispiel für ein längeres internes Ringen – zunächst gab es auch einen gefälligeren Entwurf, den wir dem Kunden letztlich nicht präsentierten. Mit der Fotostrecke wird das Leitmotiv gesetzt: Plastikdiät. Die Fotomotive visualisieren das Thema. Text und Informationen im zugehörigen Magazin „LOOP“ kreisen rund um Abfallvermeidung im Alltag. Dies spiegelt sich auch bei der Produktion der Publikationen wider. Sie wurden mit mineralölfreier Farbe und klimaneutral auf 100 Prozent Recyclingpapier (Blauer Engel und FSC®-Zertifizierung) gedruckt. Die Wahl fiel auf das hochweiße Premium-Recyclingpapier enviro®clever aus dem Hause Inapa Deutschland. Im Jahresbericht werden die Motive als Kapiteltrenner eingesetzt und verbinden das umfangreiche Werk zu einem Ganzen.
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